Ein Gerechtigkeitssinn?

  • Hallo miteinander.





    Defkil hat im Strang, den DavidH über die Homosexualität eröffnet hat, mir eine schwierige Frage gestellt, für welche ich hier ein neues Thema anfange.



    @abifiz vlt kennst du dich da ja mehr aus, soweit ich weiß, hängt der Gerechtigkeitssinn eines Menschen, an der Größe/Strukturierung eines bestimmten Teiles des Gehirns.(Die Aussage bitte nicht angreifend verstehen) Ich tippe jetzt mal ganz spontan darauf, dass die Einstellung zu diesen Thema, sehr davon abhängt (bin selber über das Thema HSP darauf gestoßen, aber leider nicht groß Zeit gehabt mich damit zu beschäftigen)


    Es sind genaugenommen zwei voneinander unterscheidbare Fragen: Die erste lautet, "Hängt die Einstellung zur Homosexualität vom Sinn für Gerechtigkeit?" Auf diese erste Frage werde ich selbstverständlich im Ausgangs-Thread eingehen, nämlich demjenigen von David, und nicht hier.



    Die zweite Frage ist völlig anders gestaltet. Man könnte sie so unterteilt wiedergeben: "Gibt es im Menschen einen Gerechtigkeitssinn? Falls ja, wo, wie, wann?" (Letzteres von mir jetzt etwas salopp formuliert... :) ) "Kann man Gehirnstrukturen damit in Beziehung setzen?", wäre also ein Sonderaspekt dieser Unterteilung.



    Ich werde versuchen, mich in abgestuften Schritten den verschiedenen Aspekten der zweiten Frage von Defvkil nach und nach zu nähern.





    Eine grundsätzliche Bemerkung bring' ich einleitend ein: "Den" Menschen als "Naturding" an und Pfirsich gibt es nicht. Ein komplett sich selber sofort überlassenes Menschenkind würde nach nicht allzu vielen Stunden sterben, abgesehen davon, daß es seinerseits in den Monaten der Schwangerschaft schon mit der Mutter interagiert hat. Man kann ein unbearbeitetes Stein irgendwo entdecken, okay. "Unbearbeitete" Menschen gibt es aber nicht. Sie sind immer auch kulturell eingebettet und kulturell mit-geformt. Diesen Aspekt sollte man immer im Hinterkopf parat halten.





    Um uns nach einem etwaigen "Gerechtigkeitssinn" zu fragen, müssen wie vorher eine enorme Hürde überwunden haben, will man nicht "einfach so" daherreden: "Was ist Gerechtigkeit?" Erst in einem späteren Schritt in einem zweiten Beitrag kann dann die Frage nach dem Geist und dem Gehirn gestellt werden.




    Lese ich zum Beispiel dazu die Wikipedia, finde ich einen nach meiner Auffassung ausgezeichneten englischen und einen katastrophal im Kern mißratenen deutschen Artikel. Warum werte ich sie so? Während der englische Artikel sich abwägend entfaltet, nimmt der deutsche von Anfang an eine egalitaristische Position an: Nicht nur Fairneß und Grundsatzgerechtigkeit für alle, sondern (von mir jetzt polemisch augenzwinkernd übertrieben) gleicher Haarschnitt für alle. Diese Haltung zum Thema kann man als "Gleichmacherei" abwerten, oder sie wertend als "Tugendterror" bezeichnen; sie entspricht auf jeden Fall nicht dem Begriff von Gerechtigkeit, den ich hier erläutern möchte.



    Um eine schwierige vertiefte philosophische Diskussion zum Wesen der Gerechtigkeit zu meiden, versuche ich meine hiesigen Angaben zum Begriff stark "einzudampfen".



    Gerechtigkeit wäre demnach:



    Gleiche Behandlung des Gleichen, ungleiche Behandlung des Ungleichen.
    Anerkennung der Werte von allen.
    Fairneß.
    Gleichheit vor Regeln und von den Konsequenzen bei deren Mißachtung. (Beim Menschen: "Justiz")
    Prinzipielle Güte im Ausgleichskonflikt.
    Recht auf Verteidigung, einschließlich des Rechts auf jeweils angemessene Gewalt vor bedrohlichen Aggression, je nach Maß der Bedrohung, wo Ausgleich unerreichbar.
    Recht auf einen Grundschutz.
    Recht auf Entfaltung.





    Um nach einem etwaigen "SINN" für Gerechtigkeit zu fahnden, müssen wir beim Menschen in seiner persönlichen Entwicklung so früh ansetzen wie nur möglich, um den jeweiligen kulturellen Einfluß zu minimieren. Dann werden wir, wenn überhaupt, auf erste Keime dieses Sinnes treffen. Und wenn wir nach ersten Keimen suchen, dürfen wir und sollen wir nach weiteren evolutiv hochentwickelten Tieren Ausschau halten, ob auch in ihnen solche frühe Keime auszumachen sind, da sie in einer relativen evolutiven Nähe zu uns stehen.



    Also:



    Gibt es bei hochentwickelten Tieren solche Keime?
    Gibt es sie bei menschlichen Babies?



    In beiden Fällen ist die Antwort eindeutig "JA"!



    Sowohl bei einem Baby ab dem achten Lebensmonat, als auch bei höheren Säugetieren sind die erste Keime eines Sinnes für Gerechtigkeit aufzufinden.



    Es sieht so aus, daß ein Gerechtigkeitssinn tatsächlich existiert.



    Schon bei niederen Affen ruft demonstrative Besserbelohnung eines Exemplars bei Lösung einer Aufgabe bei seinen Kumpanen Empörung hervor.
    Schon bei acht-neun Monaten alten Babies ruft die demonstrative Bevorzugung eines fremden Babys Irritation hervor.

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  • Hey, danke für die Erklärung, ich muss mich dran gewöhnen auch die Englischen Wikipedia Seiten zu lesen, vergesse immerdas die meistens unterschiedlich sind. Da ich, wo ich den Kommentare da geschrieben in eile am Handy war, habe ich mich später auch noch kurz damit beschäftigt. Die Frage war außerdem so gestellt, da ich mir nicht sicher war ob es stimmt. Ich habe im Internet noch von paar Test gelesen, wo sie bei unrechter Behandlung, im Gehirn, ich weiß nicht wie es heißt...halt Signale gesendet werden in einem bestimmten Bereich des Gehirnes. Da ja, Gehirne unterschiedlich aufgebaut sein können, könnte es ja sein, dass die Größe dieses Bereich Einfluss darauf hat, oder? So wird ja auch Hochsensiblen Personen als Charakter Eigenschaft, ein hoher Gerechtigkeitsinn zugesprochen.

  • Hallo Defkil.





    Um die Frage der Bedeutung des Gehirns in diesem Zusammenhang hatte ich mich im vorigen Beitrag noch etwas gedrückt, in der Hoffnung es ginge mir heute besser. Das ist aber nicht der Fall, also versuche ich es nun trotzdem: Mal sehen, ob es mir gelingt... (Seit den ersten stationären Chemos 2008 bekomme ich ab und an auch Kopfschmerzen, etwas was sonst, zumindest in der Art, in meinem Leben vorher nicht aufgetaucht war. :) )



    Es handelt sich um ein delikates Thema: Viele unter den heutigen Neurobiologen vertreten dabei einige Positionen, die ich nicht teile. Ich streife sie jetzt nur kurz und rein schlagwortartig, was natürlich nicht ganz angemessen ist, aber für unsere Bedürfnisse reicht. Zum Beispiel: "Es gibt kein Ich. Beim "Ich" handelt es sich um eine Illusion. Es gibt wechselnde Hirnzustände, das war 's dann auch. Es gibt kein freier Wille. Das Hirn entscheidet nach biochemischen Gesetzen, das war 's dann auch. Von einem freien Willen kann gar keine Rede sein. Im Gehirn findet dort dies, da jenes statt, das kann man mit bildgebenden Verfahren wunderbar verfolgen." Etc. etc.



    Letztlich läuft dies alles stets auf ein naives "reduktionistisches" Erkenntnisbild hinaus, bei welchem der Mensch "sein Gehirn ist".



    Es handelt sich zunächst, bevor man überhaupt die einzelnen Aussagen analysiert, grundsätzlich um sogenannte Kategorienfehler. Es wird "wesenhaft" über etwas gesprochen (das Fachwort dazu hieße "ontologisch"), bevor man überhaupt geklärt hat, was dieses "Etwas" überhaupt wäre, zu sein hätte. ("Freier Wille" zum Beispiel als inhaltsleeres Schlagwort, unter welchem der Reduktionist sich anscheinend voraussetzungslose Willkürentscheidungen vorstellt. :rolleyes: )



    Selbstverständlich gibt es auch in den stammesgeschichtlich später entstandenen Gehirnstrukturen (Großhirn) tendenzielle Spezialisierungen. Trotzdem gelten einige übergreifende Grundsätze beim Versuch, die Beziehungen zwischen Gehirn überhaupt, Gehirnstrukturen im einzelnen und geistiger Arbeit zu verstehen. Ich erwähne hier nur die wesentlichsten: Im Gehirn hängt letztlich alles mit allem zusammen. Analogien mit einem Computer gehen fehl. Das Gehirn ist enorm plastisch. Unsere Beziehungen, Lektüren, Erlebnisse, etc. etc. etc. formen ständig das Gehirn um.



    Nun zum HSP. (Für alle: Devkil hat hier etwas angesprochen, was unter Umständen nur mir am Ende geläufig ist? Ich weiß nicht... Ist das der Fall? Wenn es doch noch Bedarf nach Klärung gäbe, würde ich ja morgen oder übermorgen einfach darüber ein Thema eröffnen, in welchem ich erläutern kann und etwaige Fragen dazu beantworten... :) )



    In einigen Grundzügen trifft die HSP-Eigenschaft auch auf mich selber zu. Das ist einer der zwei halbwegs sogar ein bißchen zusammenhängenden Gründen, warum ich nach Auflösung meines Sekretariats im Jahre 2000 Israel verlassen habe, um meinen Lebensabend im alten Europa zu verbringen: In der Heimat waren mir etliche Mitmenschen zu hektisch und distanzlos und laut einerseits, anderseits das politische Leben mir seit einigen Jahrzehnten zu verbiestert. (Warum ich dann Bulgarien verlassen habe, wo ich mir ein Häuschen gekauft hatte, weißt Du ja.)




    Es dürfte auf der Hand liegen, daß ich Deine entsprechende Anfrage mit großer Sympathie gelesen habe.



    Von meiner beruflicher Erfahrung her sind im Gehirn vor allem die thalamischen Strukturen für die feinen Gerechtigkeitsantennen des HSP-elers tragend, freilich in Zusammenhang mit der jeweiligen Biographie. Dieser Zusatz ist mir sehr wichtig.



    Falls Du aber noch Fragen hast, komme einfach darauf zurück. Ist mir eine Freude. ^^





    Herzlich
    Abifiz



    PS
    Falls Du Interesse hast, kann ich Dir entsprechende Foren benennen.

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