Das scheint aber wohl daran zu liegen, dass man die Schule abgeschlossen hat und negative Dinge größtenteils verdrängt - äber verübeln kann man das keinen, es liegt in der menschlichen Psyche.
Ich würde eher mal behaupten, dass man nach der Schule erst einen distanzierten und neutralen Eindruck über die vergangene Schulzeit braucht.
Dass es jetzt keine Spezialisierung innerhalb der Schulen gibt, stimmt nicht und beweist nur deine Distanz zur Funktionsweise des Bildungsapparats. In mehreren Bundesländern gibt es bereits „Profilsysteme“, die jedoch von Bundesland zu Bundesland und Schule zu Schule unterschiedlich sind.
Die wirklichen, wenigen Schulen, die eine echte Spezialisierung auf Basis der Interessen und Fähigkeiten eines einzelnen Schülers anbieten sind in der Zahl wenige und das hat seinen Grund.
Erstens sind solche Schulen enorm teuer und für die Masse in der jetzigen Form nicht finanzierbar.
Zweitens sind diese Schulen oft Pilotprojekte und haben bisher keine Ergebnisse geliefert, die es rechtfertigen würden, das Bildungssystem des kompletten Staates umzustellen.
Der Gesetzgeber scheint erkannt zu haben, dass Menschen über 16 Jahren vielleicht noch nicht wissen, was genau sie machen wollen, jedoch wissen Sie ob sie etwas mathematisches, gesellschaftswissenschaftliches oder naturwussenschaftliches machen möchten.
Nur weil du vielleicht nicht wusstest, was du mit deiner Zukunft anfangen solltest, gilt das nicht für andere.
Ich bin, wie schon in meiner Vorstellung damals erwähnt, Botschafter der Hochschule gewesen. Vertrat die Hochschule also nach Außen zu Schulen hin und Belangen der Beratung von Schülern über ein Studium und informierte im Namen der Hochschule die Schüler über die Möglichkeiten eines Studiums. Bei all diesen Veranstaltungen sprach ich mit mehreren Hundert Schülern der unterschiedlichsten Bildungswege. D.h. Klassisch (Grundschule, Gymnasium), der etwas längere Weg (Grundschule, Realschule, Gymnasium) und ganz spezielle Konstellationen (z.B. Grundschule, Hauptschule [nicht gepackt], Berufsvorbereitungsjahr, Berufsfachschule, berufliches Gymnasium). Was dabei immer herausstach war die Tatsache, dass die meisten Schüler (auch wenn sie bereits z.B. eine Ausbildung hatten), und das waren ausschließlich Schüler der gymnasialen Oberstufe (mehrerer verschiedener Bundesländer) keine Ahnung hatten, was sie später machen wollten. Einige nannten da, ein Einzelfallbeispiel, Musiker und zugleich Informatiker, beides ließe sich natürlich miteinander verbinden, das erfordert aber natürlich auch ein gewisses Grundwissen beides Fächer, dass das Gymnasium dem Schüler bietet.
Nur weil du vielleicht meinst zu wissen, was du machen möchtest, musst du daraus deine Situation nicht auf die Mehrheit aller Schüler abbilden. Soll deshalb bundesweit das Schulsystem so umgestellt werden, dass in der gymnasialen Oberstufe jeder Schüler macht was er ggf. mal machen möchte oder denkt was er gegebenenfalls mal machen wird?
Das jetzige Bildungssystem ist nicht sonderlich erfolgreich, ich habe bereits von vielen Lehrern gehört, dass - zumindest in Schleswig-Holstein - die schriftlichen Leistungen immer schlechter werden. In meinem Kurs (12 Klasse, Gymnasium) existieren enorme Schwächen im schriftlichen Bereich.
Da sollten dann eventuell aber mal die Lehrer bzw. die Bildungsbeauftragten des Landes herausfinden woran das liegt, wenn vor einigen Jahren, ohne großartige Änderung des Stoffs (so ist es z.B. in Rheinland-Pfalz) der Notenschnitt enorm sinkt. Denn was ich definitiv auch aus der Schule mitgenommen habe, dass das Interesse von Schülern zu Themen die ihnen nicht liegen, auch stark vom Lehrer beeinflusst werden kann. Zu meiner Schulzeit, und das ist ja nun auch erst ein paar wenige Jahre her, konnte man ganz klar sehen, dass der Notenschnitt bei Lehrern, die einen gefordert haben und das Thema interessant aufgearbeitet haben, deutlich besser war als bei Lehrern, die einfach aus einem Lehrbuch abpinseln.
Ich hatte Lehrer, die waren bereits im gehobenen Alter und hatten einfach Spaß am unterrichten und das merkte man auch. So z.B. mein Mathelehrer. Da fiel mir das Lernen nie schwer und ich wusste genau warum ich etwas so machen muss wie ich es mache. Bis zur Oberstufe hatte ich in Mathe eine 3-4, in der Oberstufe, welch Wunder, plötzlich dauerhaft eine 1.
Im Deutsch- und Geschichteunterricht war genau das Gegenteil der Fall, die Lehrer hatten keinen Bock und kamen eigentlich nur, weil sie eben kommen mussten. Nach dem Prinzip: Sobald ich mal Lehrer bin wird das Leben einfach, bisschen fertige Tafelbilder abkritzeln und 2-4x im Jahr Klausuren korrigieren. Der Notenschnitt der kompletten Klasse lag in diesen Fächern, wen wundert es, unter 3,0.
aber gleichzeitig Fächer wie Sport, Musik/Kunst oder Mathematik bis zum Erbrechen unterrichtet werden, deutet schon auf die desaströs veraltete Funktionsweise des Bildungssystems hin.
Das war bei uns eher umgekehrt der Fall. Lehrer für die Sprachen, BWL, VWL, Geschichte usw. gab es zu Hauf. Sport konnten genau 5 Lehrer unterrichten und diese sollten jedes Halbjahr 8 verschiedene Sportarten anbieten, in denen sich die Schüler prüfen lassen konnten. Gerade da wären 3 weitere Lehrer hilfreich gewesen, denn z.B. beim Geräteturnen ist es eben nicht gerade ungefährlich ohne Unterstützung rumzuhampeln. Das Ganze war bei uns aber auch nur 90 Minuten pro Woche.
Die künstlerischen Fächer (Musik, Kunst, darstellendes Spiel) fanden genau 1 Jahr in der 12. Klasse statt und haben trotzdem einige Schüler davon beeindruckt. Zwei des Vorjahres studieren mittlerweile Musik nach Förderung durch den Musiklehrer.
Mathematik ist nunmal in einem Großteil der Studienfächer absolute Pflicht. Warum sollte man also genau da nicht wirklich viel unterrichten? Nur weil ein paar wenige danach zum Beispiel Soziologie oder Philosophie studieren werden, die dann ggf. keine Mathematik mehr brauchen?
Kleines konkretisiertes Beispiel gefällig? Ich muss mir jede Woche (heute sogar!) 2 Stunden Gefasel über Kadenzen und Harmoniemuster anhören, obwohl ich unmusikalisch bin wie ein Stein und seit gut 3 Jahren weiß, was ich studieren will. Und ich bin mir äußerst sicher, dass ich das erworbene „Wissen“ 2 Wochen nach erfolgreicher Abwahl des Musikkurses (gepriesen sei er) bereits vergessen haben werde.
Einige Leute fanden daran aber vielleicht Interesse und haben eine weitere Möglichkeit gefunden, die für sie passen würde? Im obigen Beispiel mit dem Schüler, der Informatik und Musik studieren wollte, wäre das genau richtig gewesen. Studiert er Informatik und arbeitet nach seinem Abschluss in einer Entwicklungsfirma, die Software für Musiker oder Tonstudios entwickelt wird ihm dieses Wissen sicherlich helfen. Ohne vorhergehenden Musikunterricht würde er aber vielleicht nur Informatik studieren und sich denken "Hm, was will ich mit Musik, liegt mir nicht".
Das ist dann auch der Grund warum auch Fächer, zumindest grundlegend, unterrichtet werden auch wenn der Schüler ggf. das nie machen wird. Zunächst ist es eine gewisse Allgemeinbildung, zum Anderen finden einige Schüler vielleicht Interesse oder eine Begabung dafür, wovon sie bis dato nichts wussten. Das Ganze kann dann entsprechend auch von den Lehrern gefördert werden.
Hätte ich auf dem Gymnasium nur das machen können, was ich später machen wollte, wäre mein Stundenplan wie folgt: 20 Stunden Informatik, 5 Stunden Mathematik, 5 Stunden Englisch. Dann wüsste ich nichts über das schreiben von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, hätte keine Ahnung von Chemie (was mir jetzt in meinem Hobby, der Feuerwehr, deutlich hilft) und hätte auch nie BWL machen "müssen", was mir jetzt im Studium einiges bringt, denn ich kann bereits jetzt abwägen ob sich gewisse Tätigkeiten aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnen oder man es besser altbewährt macht und dadurch Kosten spart.
Viele Schüler würden ohnehin dann das abwählen, was ihnen Schwierigkeiten macht oder scheinbar nicht liegt, obwohl das eventuell einfach durch falsche Lehrkräfte so vermittelt wurde.
Wenn das deutsche Bildungssystem so schlecht wäre, wie du es hier darstellst, wie kommt es dann, dass viele Entdeckungen der Physik, Informatik, Philosophie, Psychologie etc. den deutschen zuzuschreiben sind, die nach dem "alten und schlechten" Bildungssystem unterrichtet wurden? Vor einigen Jahren wurde, so zumindest in Rheinland-Pfalz, mit einem sehr ähnlichen bis identischen Lehrplan wie heute unterrichtet. Einige Fächer und Gebiete kamen hinzu, einige wurde getilgt. Das Grundlegende blieb aber das Gleiche. Wie erklärst du dir, dass die Schüler zu dem Zeitpunkt einen deutlichen besseren Schnitt hatten als viele der heutigen?
Bildungssystem scheiße?
Schüler wissen heute halt was sie machen möchten und machen auch nur noch das?
Lehrer scheiße?
Fächer und Inhalte von heute auf morgen unnötig und brauch man nicht mehr?
Alles veraltet und deshalb muss man es nun nicht mehr können?
über das ich hier im Thema diskutiere,
Abschließend noch: Du diskutierst hier größtenteils an einem Einzelfall, der auf die Mehrheit aller Schüler in der Bundesrepublik so nicht anwendbar ist. Du nennst für alles nur die aufgetretenen Probleme aber nicht die Gründe dafür. Offenbar interessiert dich der Grund auch nicht, denn der scheint deiner Meinung nach zu sein, dass Schüler nicht darin gefördert werden, was sie gerne machen würde, sondern einfach eine allgemeine Bildung bekommen, die jeder so bekommt. So ist das zumindest deinen Postings zu entnehmen.
Fakt ist aber, dass viele Schüler (und dazu habe ich mich nie gezählt, denn ich wusste bereits gegen Ende der Mittelstufe was ich genau machen werde), einfach keinerlei Ahnung haben was sie in Zukunft tun wollen. Das habe ich bei jeder Veranstaltung des Botschafterprogramms immer wieder erlebt. Es wird über die Schule gehetzt, über Lehrmethoden, über Fächer, Lehrer und und und. Eine Alternativlösung kam nie, denn es gibt keine Bildungslösung, die auf alle perfekt anwendbar ist.
Bringe ich den Schülern das bei, worin sie ggf. gut sind und was sie machen wollen, zumindest noch zu dem Zeitpunkt, dann können die Schüler zwar das ganz gut, aber entsprechend nichts anderes. Wechseln diese mal den Job, dann Gnade ihnen Gott, dass sie genau das Wissen noch haben. Außerdem kann es passieren, dass Schüler ihre Interessen ändern und ihnen dann einfach entweder die Möglichkeit oder das nötige Grundwissen fehlt das zu tun.
Bringe ich den Schülern alles, aber nur in einem gewissen Maße, bei, so wie das aktuell das Fall ist, dann besteht die Möglichkeit, dass Schüler aufgrund einiger Fächer, die sie überhaupt nicht mögen und nie in dem Bereich etwas machen wollen (in deinem Fall Musik, in meinem Biologie), auf der Strecke bleiben. Dafür besteht aber fast immer die Möglichkeit sich anderweitig umzusehen, da eben ein gewisses generelles Grundwissen gelehrt wurde.
Ich möchte um Gottes Willen nicht sagen, dass wir das perfekte Bildungssystem haben, denn das gibt es meiner Meinung nach nicht. Aber das System hat schon seine Vorteile und zusammen mit dem Ausbildungssystem in Deutschland auch definitiv seine Daseinsberechtigung. Es ist aber nunmal nicht möglich, finanziell, konzeptionell sowie personell, zweigleisig beide Bildungssystem zu fahren. D.h. einmal das aktuelle System und zum Beispiel ein System, das dem Finnischen (bei dem nebenbei Schulen viel weniger Schüler haben als hier in Deutschland) ähnelt oder eben dem der "Steve-Jobs-Schulen", die es in den Niederlanden gibt.
Da das ganze aber an dem eigentlichen Thema, nämlich der fehlenden Lust zu Lernen, von Matze immer mehr vorbeigeht, sollten wir damit diese Diskussion auch beilegen. Jeder hat einen anderen Blickwinkel auf das Bildungssystem und vielleicht siehst du das ganze ja auch anders, wenn du erstmal aus dem Schulsystem raus bist.